
Rechtliche Betreuung
Die rechtliche Betreuung ist ein deutsches Rechtsinstitut, durch das ein Volljähriger Unterstützung, Hilfe und Schutz erhalten soll und der für ihn bestellte Betreuer unter gerichtlicher Aufsicht die Vertretungsmacht nach außen erhält, im Innenverhältnis zur betreuten Person aber zur Beachtung des Willens verpflichtet ist. Betreuung dient dazu, Rechtshandlungen im Namen des Betreuten zu ermöglichen, die dieser selbst nicht mehr vornehmen kann, und wird zeitlich und sachlich für entsprechende Aufgabenkreise beschränkt. Die Betreuung wurde durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz geschaffen. Rechtliche Betreuung ist keine soziale, pflegerische oder gesundheitliche Betreuung. Die rechtliche Betreuung ist an die Stelle der früheren Vormundschaft über Volljährige und der Gebrechlichkeitspflegschaft getreten und geht über sie deutlich hinaus.
Gesetzliche Betreuung - was ist das?
Mit dem Betreuungsrecht ist die frühere Entmündigung abgeschafft worden. Die Betroffenen bleiben geschäftsfähig, wahlberechtigt, ehe- und testierfähig. Allerdings ist es zum Schutz der Betroffenen möglich, einen Einwilligungsvorbehalt anzuordnen, so dass bestimmte Erklärungen der Betreuten im Rechtsverkehr der Zustimmung ihres Betreuers bedürfen.
Betreuerbestellung - für wen?
Ein Betreuer kann nach § 1814 BGB vom Betreuungsgericht bestellt werden, wenn der Betroffene volljährig ist, er seine Angelegenheiten aufgrund einer Krankheit oder Behinderung ganz oder teilweise nicht mehr besorgen kann, wobei die Betreuung erforderlich sein muss, weil andere vorrangige Hilfen nicht zur Verfügung stehen.
Alleine die Tatsache, dass jemand seine Angelegenheiten nicht ausreichend selber besorgen kann, reicht noch nicht aus, um ihn unter Betreuung zu stellen, da sonst auch für jeden gesunden aber nachlässigen oder unerfahrenen Menschen ein Betreuer bestellt werden müsste. Zwingende Voraussetzung der Betreuerbestellung ist deswegen eine psychische Krankheit oder eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung, die ursächlich für die Unfähigkeit sein muss. Dabei kommen 4 medizinische Ursachen in Betracht.
- psychische Krankheiten - Hierzu zählen alle körperlich nicht begründbaren seelischen Erkrankungen; jedoch auch seelische Störungen als Folge von Erkrankungen (z. B. Hirnhautentzündungen) oder Hirnverletzungen. Gleiches gilt für Neurosen, Zwangserkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen.
- geistige Behinderungen - Hierunter fallen angeborene sowie die während der Geburt oder durch frühkindliche Hirnschädigung erworbenen Intelligenzdefekte verschiedener Schweregrade.
- seelische Behinderungen - dies sind langdauernde psychische Beeinträchtigungen, die als Folge psychischer Störungen zu verstehen sind. Dazu gehören auch die Auswirkungen hirnorganischer Beeinträchtigungen (Demenz), die insbesondere mit zunehmendem Alter häufiger sind (z. B. Demenz vom Alzheimer-Typ).
- körperliche Behinderungen können ebenfalls Anlass für die Bestellung eines Betreuers sein; allerdings nur auf Antrag des Betroffenen, und die Behinderung muss die Fähigkeit zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten erheblich beeinträchtigen (z. B. bei dauernder Bewegungsunfähigkeit oder Taubblindheit).
Die größte Gruppe der Menschen, für die ein Betreuer bestellt wird, sind alte Menschen, die an der Alzheimerkrankheit oder einer anderen Demenz erkrankt sind. Auch für Menschen mit geistigen Behinderungen wird im Erwachsenenalter häufig ein rechtlicher Betreuer bestellt.
Auch Suchterkrankungen (beispielsweise Alkohol- oder Rauschgiftabhängigkeit) können bei entsprechendem Schweregrad psychische Krankheiten sein; die Sucht muss aber im ursächlichen Zusammenhang mit einer Behinderung oder geistigen Erkrankung stehen oder es muss ein auf die Sucht zurückzuführender psychischer Zustand eingetreten sein.
Ein Betreuer darf ferner nur für diejenigen Aufgabenkreise (§ 1815 BGB) bestellt werden, für die eine Betreuung erforderlich ist und für die keine anderen Hilfen zur Verfügung stehen.
Betreuerbestellung - wie geht das?
Die Betreuerbestellung kann auf eigenen Antrag des Betroffenen oder aber von Amts wegen erfolgen. Hierfür ist das Betreuungsgericht zuständig. In der Regel ist dies eine Abteilung des Amtsgerichts.
Die Betreuungsanordnung erfolgt in einem gerichtlichen Verfahren für das spezielle Verfahrensgarantien festgelegt wurden. Der Betreute ist immer verfahrensfähig und kann zum Beispiel gegen Beschlüsse Beschwerde einlegen und/oder einen Anwalt oder einen sonstigen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten, Verfahrenspfleger mit seiner Vertretung beauftragen bzw. das Betreuungsgericht stellt die entsprechende Person zu Vertretung.
Der Betreute muss durch einen unabhängigen Sachverständigen begutachtet werden. Ein (u.U. selbst vorgelegtes) ärztliches Zeugnis ist nur dann ausreichend, wenn der Betroffene eine Betreuerbestellung selbst beantragt.
Auch die Betreuerauswahl und -bestellung erfolgt innerhalb des Betreuungsverfahrens. Das Gericht kann eine vom Betroffenen vorgeschlagene Person (Wunsch des Betroffenen) nicht als Betreuer mit der Begründung ablehnen, dass eine andere Person besser geeignet sei. Unter bestimmten Umständen können mehrere Betreuer für einen Betreuten bestellt werden, z. B. auch ein Verhinderungsbetreuer.
Gesetzliche Betreuer - was sind dessen Aufgaben?
Die Pflichten des Betreuers ergeben sich aus dem BGB. Bei Pflichtverletzungen ist eine zivilrechtliche Haftung des Betreuers gegeben.
Der "Wunsch des Betreuten" ist nach dem BGB der Maßstab des Handelns des Betreuers. Um dem Selbstbestimmungsrecht zu genügen, ist der "Wunsch des Betreuten" nicht nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, sondern vorrangig subjektiv durch den Willen des Betreuten. Belange Dritter sind dabei zweitrangig.
Um dem Grundrecht auf Selbstbestimmung in verfassungsgemäßer Weise gerecht zu werden, hat ein Betreuer folgende Grundsätze zu beachten:
- Betreuer sollen immer nur für Betreute entscheiden, wenn diese nicht selbst entscheiden können. Gegen den Willen eines einwilligungsfähigen Betreuten, der Art, Bedeutung und Tragweite einer Entscheidung erfassen kann, darf ein Betreuer nicht handeln.
- Betreuer müssen im Grundsatz so entscheiden, wie der Betreute selbst entscheiden würde, wenn er selbst entscheiden könnte. Ein Betreuer darf aber natürlich keine Straftat begehen, auch wenn der Betreute diese mit freiem Willen beginge. Fraglich ist, ob der Betreuer auch verpflichtet ist, Straftaten des Betreuten zu verhindern.
- Gegen den Willen des nicht zur freien Willensbestimmung fähigen Betreuten, also des juristisch nicht entscheidungsfähigen Betreuten, darf im Grundsatz nur gehandelt werden, wenn eine erhebliche Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Ein Handeln gegen den Wunsch des nicht entscheidungsfähigen Betreuten aufgrund bestehender erheblicher Selbstgefährdung ist aber dann nicht statthaft, wenn der Betreute dem mit mutmaßlichem Wunsch nicht zustimmt. Ein Handeln gegen den Wunsch des nicht entscheidungsfähigen Betreuten aufgrund nicht bestehender erheblicher Selbstgefährdung ist nur erlaubt, wenn sicher ist, dass der Betreute dem im Nachhinein zustimmen wird.
Für alle Bereiche des Betreuungsrechtes gilt der Grundsatz der Erforderlichkeit. Dieser bezieht sich nicht nur auf das Ob einer Betreuerbestellung, sondern auch auf den Umfang der Betreuung. Die Betreuung darf daher nur für diejenigen Aufgaben bzw. Aufgabenkreise vom Betreuungsgericht angeordnet werden, in denen der Betroffene betreuungsbedürftig ist, d.h. nur für solche Aufgaben, die tatsächlich anfallen und die der Betroffene nicht ohne einen gesetzlichen Vertreter ausüben kann.
Wichtige Aufgabenkreise sind zum Beispiel:
- Gesundheitssorge
- Aufenthaltsbestimmung
- Vermögenssorge
- Wohnungsangelegenheiten
- Vertretung des Betroffenen in gerichtlichen Verfahren
- Vertretung gegenüber Behörden
- Entscheidung über den Fernmeldeverkehr des Betroffenen und über die Entgegennahme und das Öffnen und Anhalten seiner Post
Verfahrenspflegschaft
Der Verfahrenspfleger hat die Aufgabe, im Verfahren vor dem Betreuungsgericht die Interessen des Betroffenen zu vertreten und kann hier Anträge stellen, Rechtsmittel einlegen und an den Anhörungen teilnehmen. Die Bestellung von Verfahrenspflegern ist 2008 erheblich angestiegen. In 67 % der Fälle werden Anwälte als Verfahrenspfleger bestellt, in 33 % andere beruflich tätige Personen.
Verfahrenspfleger - in welchen Verfahren sind sie beteiligt?
Der Verfahrenspfleger soll dem Betroffenen erläutern, wie das gerichtliche Verfahren abläuft, ihm Inhalte und Mitteilungen des Gerichtes erläutern. Auch soll er Wünsche des Betroffenen an das Gericht übermitteln. Auch kann er darauf achten, ob alle möglichen freiwilligen Hilfen für den Betroffenen ausgeschöpft sind. Rechtsgrundlagen: in Betreuungsverfahren § 276 FamFG, in Unterbringungsverfahren § 317 FamFG.
Jährlich werden ca. 90.000 Verfahrenspfleger bestellt. Diese Zahlen beziehen sich nur auf die Verfahrenspfleger in betreuungs- und unterbringungsrechtlichen Verfahren, nicht im Kindschaftsrecht. Durch eine Änderung des FGG im Rahmen des BtG zum 01.01.1992 wurde aus der Kann-Regelung, eine verbindliche Bestellpraxis. Vor Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes war es u.a. Ermessensfrage des Richters, ob und wann er einen Verfahrenspfleger bestellt hat. Meist wurde sich dabei an der Schwere des Verfahrens und der Erheblichkeit des Eingriffs in die Betroffenenrechte orientiert.
Der Verfahrenspfleger ist Pfleger eigener Art, so die Beschreibung im Gesetzestext. Er ist dem Betroffenen zur Seite zu stellen, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. [...] Hintergrund der gesetzgeberischen Überlegung war hierbei speziell in Bezug auf das Unterbringungsverfahren, dass der Betroffene bei diesen besonders schweren Eingriffen in seine Freiheit nicht allein stehen, sondern fachkundig beraten und vertreten werden soll. Der Verfahrenspfleger hat im Rahmen des Verfahrens, für das er bestellt ist, die Rechtsstellung eines gesetzlichen Vertreters des Betroffenen. Er braucht Weisungen des Betroffenen nicht zu beachten, sondern hat nur die objektiven Interessen des Betroffenen wahrzunehmen.
Verfahrenspfleger - wer macht das?
Der Verfahrenspfleger kann Rechtsanwalt sein, muss es aber nicht. Seit dem 1. Juli 2005 können sogar Verfahrenspfleger ehrenamtlich bestellt werden. Angesichts der notwendigen Kenntnisse des Gerichtsverfahren dürfte dies in der Praxis aber illusorisch sein. Bewährt haben sich Modelle, in denen auf eine pädagogische oder psychologische Grundausbildung (meist ein Studium) juristisches Zweitstudium aufgesetzt wird. Besonders durch die, nicht ganz unkomplexen Bereiche des materiellen Familienrechts, des Sozialrechts, der verschiedenen Prozessordnungen (ZPO, FGG, HausratVO, etc.) ist diese Möglichkeit der Qualifikation sicher adäquat am Bedarf und der späteren Praxis orientiert. Die Bundesverbände für Verfahrenspfleger entwickeln regelmäßig Standards und einen Codex, damit insgesamt die Verfahrenspfleger nach gleichen Grundsätzen arbeiten und eine Qualitätssicherung der Arbeit gegeben ist.
Verfahrenspfleger - wann endet das Verfahren?
Die Bestellung des Verfahrenspflegers endet mit dem Abschluss des Verfahrens, für das er bestellt ist. Seit 1.9.2009 ist der Verfahrenspfleger bis zum Ende des jeweiligen Verfahrens bestellt. Eine Neubestellung durch eine höhere Gerichtsinstanz ist daher nicht mehr nötig.
Verfahrenspfleger - im Betreuungsverfahren
§ 276 FamFG hebt besonders drei Fälle hervor, in denen in der Regel im Betreuungsverfahren ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist:
- wenn von der persönlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen werden soll;
- wenn Gegenstand des Verfahrens die Anordnung einer Betreuung für alle Angelegenheiten ist;
- wenn über die Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in eine Sterilisation (§ 1905 BGB) entschieden werden soll (§ 297 FamFG).
- seit 01.09.2009 ist ein Verfahrenspfleger auch zwingend bei der Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen (§ 1904 Abs. 2 BGB) zu bestellen, wenn es zu einem betreuungsgerichtlichen Genehmigungsverfahren kommt (§ 298 FamFG).
- seit 26.2.2013 ist ein Verfahrenspfleger zwingend bei der Genehmigung einer Zwangsbehandlung zu bestellen (§ 312 FamFG)
Verfahrenspfleger - im Unterbringungsverfahren
Im Unterbringungsverfahren soll der Verfahrenspfleger stets bestellt werden, es sei denn, der Richter begründet ausdrücklich, warum er keinen Verfahrenspfleger für nötig hält (§ 70b FGG, ab 01.09.2009 § 317 FamFG)..